Antrag zum Thema „Alternative Wohnformen in Kiel“

Seit Beginn des Jahres 2017 kämpfen wir, die Wagengruppe Schlagloch, für einen neuen festen Wagenplatz in Kiel. Unsere Forderung ist dabei seit jeher auch, dass die Kieler Stadtpolitik sich mit dem Thema befasst und Lösungen für alternatives, städtisches Leben, wie z.B. Flächen für Wagenplätze schafft. Nachdem die Stadtverwaltung 2018 im Auftrag der Ratsversammlung ca. 40 Flächen prüfte und für jede eine bürokratische Ausrede fand, warum dort kein Wagenplatz möglich sein soll (https://schlagloch.blackblogs.org/2018/05/22/stellungnahme-zum-stadtgespraech-am-15-05/), herrscht zwischen uns und der Stadtpolitik/-verwaltung relative Funkstille. Versuche, das Thema mittels eines Antrags über die Rathauskoalition (SPD, Grüne und FDP) wieder auf die Tagesordnung der Ratsversammlung zu bringen, scheiterten (https://schlagloch.blackblogs.org/2019/03/26/621/).

Im September 2019 erfuhren wir dann, dass die Partei „Die Linke“ einen Antrag zum Thema „Alternative Wohnformen in Kiel“ in die Ratsversammlungen einbringen will. Dies begrüßten wir sehr. Der Antrag lautete:

Die Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel begrüßt und unterstützt den Wunsch ihrer Bürger*innen auch nach alternativen Wohnformen.

Sie bittet die Verwaltung daher, ihr bis zum Ende des Jahres Vorschläge zur Ausweisung von neuen Flächen für alternative Wohnformen wie z.B. Tiny-House-Siedlungen, Wagenplätze u.ä. und Liegeplätze für Hausboote zu unterbreiten.

Gleichzeitig sollen die juristischen Voraussetzungen zur Errichtung von unterschiedlichen alternativen Wohnformen geprüft und der Selbstverwaltung ggf. in Form einer Geschäftlichen Mitteilung zur Kenntnis gegeben werden.

Außerdem wird die Verwaltung aufgefordert, auch die Wagengruppe Schlagloch weiterhin aktiv bei der Suche nach einer (Übergangs-)Fläche (z.B. auf dem bislang ungenutzten Gelände „Prüner Schlag“) zu unterstützen.

https://ratsinfo.kiel.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=22634

Wir empfanden den Antrag als sehr gelungen, da er sehr gut widerspiegelt, dass es seitens der Politik von Nöten ist, sich mit dem Bedürfnis der Bewohner*innen dieser Stadt nach Alternativen Wohnformen im Allgemeinen auseinanderzusetzen. Aus der Ratsversammlung wurde der Antrag zur weiteren Bearbeitung jedoch in drei verschiedene Ausschüsse delegiert.

Im Bauausschuss wurde der Antrag daraufhin abgelehnt (https://ratsinfo.kiel.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=124131). Die CDU hätte scheinbar zugestimmt, wäre die Wagengruppe im Antrag nicht erwähnt worden(!). Sie unterstützte vor allem die Forderung nach mehr Liegeplätzen für Wohnschiffe. Außerdem war von den Grünen die Rede, dass es bereits einen Lösungsvorschlag für die Wagengruppe gäbe, den diese nicht akzeptieren würde, weshalb sie keinen Handlungsbedarf sehen würden. Auf die Nachfrage um welchen konkreten Vorschlag es sich dabei handeln würde, konnten die anwesenden Vertreter der Grünen keine Antwort geben. Auch uns ist völlig unklar, was für ein Vorschlag das sein soll. Besonders bemerkenswert fanden wir den Kommentar eines Grünen-Mitglieds, dass es keine Nachfrage nach alternativen Wohnformen gäbe und deshalb auch keine Handlungsbereitschaft. Dies ist allein schon deswegen absurd, da wir als Wagengruppe seit nun fast 3 Jahren für die Anerkennung unserer Wohnform kämpfen, uns dieses also ganz offensichtlich ein Anliegen ist. Bei diversen Demonstrationen unterstützten mehrere hundert Menschen unsere Forderungen. Wir scheinen also nicht die einzigen mit diesem Bedürfnis zu sein… Die absolute Krönung stellte jedoch die Aussage der SPD dar, dass alternative Wohnformen energetisch und sozialpolitisch schlecht seien und deswegen alle Menschen lieber in „normalen“ Wohnungen leben sollten. Viele alternative Wohnprojekte legen hohen Wert auf Nachhaltigkeit. So verbraucht z.B. eine Wagengruppe wie wir erheblich weniger Ressourcen (Wasser, Strom etc.) als konventionelle Wohnungsbewohner*innen. Im Übrigen empfinden wir es als Frechheit, den Menschen in einer Stadt vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben haben. Die Aussage des SPD-Vertreters zeigt welch begrenzte Vorstellung von alternativen Wohnen in den politischen Reihen vorherrscht, obwohl sogar der Oberbürgermeister dieser Stadt (ebenfalls SPD-Mitglied) in einer ökologischen Siedlung lebt.

Im Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit bzw. im Innen- und Umweltausschuss wurde kaum auf den Antrag eingegangen, sondern in beiden Gremien schnell abgelehnt (https://ratsinfo.kiel.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=125078 ; https://ratsinfo.kiel.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=125419).

Wir bedauern die fehlende Bereitschaft der Stadtpolitik sich mit alternativem Wohnen überhaupt auseinanderzusetzen. Die Stadt scheint neuen Wohnformen gegenüber nur dann nicht abgeneigt zu sein, wenn sie einer kapitalistischen Logik folgen, wie z.B. bei den sogenannten Mikroappartments die auf Marthas Insel oder an der Hörn gebaut werden, und wo der Quadratmeter 20 Euro kosten soll. Alles in Allem zeigt der Verlauf dieses Antrags mal wieder das völlige Unvermögen der Kieler Stadtpolitik, die Bedürfnisse der Menschen, die in dieser Stadt leben, ernst zu nehmen und konstruktive Lösungen für das Wohnraumproblem zu schaffen.

Wir fordern weiterhin:

Mehr Wagenplätze!

Kreative Lösungen für alternative Wohnformen – in Kiel und überall!